„80 Prozent der jugendlichen Straftäter in Berlin haben einen Migrationshintergrund, 45 Prozent davon sind arabischer, 34 Prozent türkischer Abstammung. Schönrednerei und Vertuschen seien da fehl am Platze: „Wir haben schon eine Generation verloren, bei den Arabern sowieso, ich will nicht noch weitere verlieren. Wir müssen uns von der Political Correctness verabschieden. „
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„Ich würde töten für Ehre. Bei Ehre hört alles auf, alles.“ -„Wenn ich kein Geld habe, das macht mich einfach nur wütend, verrückt. Sofort ich denk an Überfall, sofort an irgendwas, sofort.“ – „Ich bin in Berlin, ich bin in diesem Ghetto Leben drin, im Ghetto Leben gibt es nicht so Schulabschluss, studieren, Abitur, da macht man sich sein Geld selber.“
Can war 16 Jahre alt, da hatte er bereits 70 Straftaten auf dem Kerbholz – dies sind nur die von der Polizei gemeldeten, wie er stolz bemerkt. Mittlerweile sitzt der heute 18-jährige Türke im Gefängnis. Seine Biografie: Migrationshintergrund, Heimaufenthalt, Bewährungsstrafe, kein Schulabschluss, Betreuung durch Sozialarbeiter, Gefängnis.
Diese Lebensläufe kennt die Berliner Jugendrichterin Kerstin Heisig zur Genüge. Um den Teufelskreis der brutalen Gewalt und der Hilflosigkeit von Ämtern und Polizei zu durchbrechen, hat sie vor einem Jahr ein bisher bundesweit einmaliges Projekt in dem Berliner Bezirk Neukölln gestartet. Es soll die Strafverfahren gegen kriminelle Jugendliche beschleunigen und damit zur Abschreckung dienen. „Wir haben geschaut: Wie können wir die ganz jungen Kriminellen abfischen, bevor es zu spät ist? Wir kriegen sie oft erst mit 16 und dann haben sie schon lange Strafen. Ich gelte als Hardliner, aber das bin ich nicht. Ich bin nur für früheres und konsequentes Eingreifen.“
Dazu gehört auch die straffere Zusammenarbeit mit der Polizei, mit Schulen und Jugendämtern – und der Kontakt mit den Eltern.
„Die Eltern haben eine Pflicht, sie können die Verantwortung nicht an der Schulpforte abgeben. Es wurde jahrzehntelang propagiert: ´Die sind bildungsfern, da kann man nichts machen.` Aber man muss etwas machen! Jedes zweite Kind in Berlin hat einen Migrationshintergrund. Die brauchen wir und zwar als gebildeten Mittelstand und nicht als Sozialhilfeempfänger.“
Für ihre schnörkellose und unmissverständliche Analyse hat Kirsten Heisig auch Kritik einstecken müssen, „Richterin Gnadenlos“ nannte sie unlängst eine Zeitung, Gegner werfen ihr vor, rassistisch und rechts zu sein. Ihnen hält sie die Fakten entgegen: 80 Prozent der jugendlichen Straftäter in Berlin haben einen Migrationshintergrund, 45 Prozent davon sind arabischer, 34 Prozent türkischer Abstammung. Schönrednerei und Vertuschen seien da fehl am Platze: „Wir haben schon eine Generation verloren, bei den Arabern sowieso, ich will nicht noch weitere verlieren. Wir müssen uns von der Political Correctness verabschieden. Es geht um Kinder bildungsferner Elternhäuser, aber auch diese Mütter wollen, eine bessere Zukunft für ihre Kinder. Ich bin selber Mutter von zwei Kindern – diese Idee muss doch jedem einleuchten! Unsere Botschaft ist: Wir sehen euer Problem, wie sind bereit euch zu helfen, aber ihr müsst mitmachen.“
Auch Güner Yasemin Balci kennt die Hintergründe der Jugendkriminalität aus eigener Erfahrung: Die Tochter türkischer Gastarbeiter ist 1975 in Berlin geboren. Aufgewachsen ist sie im Rollbergviertel – dem Einsatzgebiet von Kirsten Heisig. „Die Gegend war damals auch gar nicht so schlecht: Größtenteils lebten dort deutschstämmige Menschen, es war gut gemischt, Religion hat kaum eine Rolle gespielt. Es gab sozial schwache Familien, aber im Großen und Ganzen war das harmlos. Jetzt leben dort fast nur noch muslimische Familien, immer weniger Menschen arbeiten, die Religion wird immer wichtiger, weil es auch immer mehr Moscheen und Moscheegemeinden gibt.
Es gibt die ´Dawa`, den Aufruf zum Islam, um die Menschen zum Islam zu bringen, und dabei ziehen Prediger von Tür zu Tür und schleppen die Jugendlichen ab. Wer nichts wird, wird am Ende Moslem. Und mit diesem Selbstverständnis fühlen sie sich als etwas Besseres.“
Sie selbst hat nach ihrem Studium der Literatur- und Erziehungswissenschaften mehrere Jahre in verschiedenen Jugendeinrichtungen mit arabischen und türkischen Jugendlichen gearbeitet. Aus Desillusionierung über ihre eigene Hilflosigkeit, aber auch über die wachsende Gewalt in dem Viertel, gab sie auf. Über ihre Erfahrungen hat die heutige Journalistin das Buch „Arabboy“ geschrieben – einen schonungslosen Tatsachenbericht über eine Parallelwelt inmitten Berlins.
„Als ich mittendrin war im Schreiben, war ich resigniert und es macht mich traurig, dass sich nichts geändert hat. Es überkommt mich auch ein Ekel vor der Gewalt, dass Gewalt dazu gehört. Dass man eine in die Fresse kriegt, gehört für sie genauso dazu, wie das Frühstücksbrötchen. Wütend machen mich eher die Leute, die sagen, was sich ändern muss, dieses Gelaber. Diese ganzen Sozialarbeiter-Luschen, die da rumlaufen und die denken, sie könnten die Welt verbessern. Genau die braucht man nicht! Man braucht mittlerweile eine ganz andere Ausbildung, man müsste da mal wissenschaftlich rangehen. Wir müssen die besten Schulen haben, am besten Ganztagsschulen, die müssten die Erziehung in die Hand nehmen. Aber das wird nicht passieren.“
„Was tun gegen die Jugendkriminalität?“ Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit der Jugendrichterin Kirsten Heisig und der Journalistin Güner Yasemin Balci. Zitat Deutschlandradio