Brasiliens Medien vermelden derzeit als Parallelfall zu Paula Oliveira den Versuch des 25-jährigen Brasilianers Bruno Santo dos Santos, sich über eine vorgetäuschte Entführung in Buenos Aires Geld zu verschaffen. Als er die Lösegeldsumme abheben wollte, wurde er von der Polizei festgenommen.
http://br.news.yahoo.com/s/afp/090226/mundo/argentina_brasil_curiosa
Seit Paula Oliveira vor der Schweizer Polizei zugab, nicht von Fremdenhassern attackiert worden zu sein, geschah etwas Eigenartiges mit ihrer Einstufung, schreiben brasilianische Zeitungen. Als Paula Oliveiras Geschichte Glaubwürdigkeit hatte, war sie eine „Brasilianerin“. Als die Geschichte geknackt wurde, nannte man sie auf einmal recht häufig „Pernambucana“ – wegen ihres nordöstlichen Heimatteilstaates Pernambuco. Wie die Zeitungen weiter vermerken, gebe es Schweizer, die Episoden über Vorurteile von Brasilianern gegen andere Brasilianer berichten. In dem Tropenland fällt auf, wie kritisch vor allem Südbrasilianer die Nordostbrasilianer sehen.
Im Zusammenhang mit dem Fall Paula Oliveira in Zürich ist kurioserweise auch eine Diskussion über die Existenz von Fremdenhaß, Ausländerfeindlichkeit in Lateinamerika, speziell Brasilien entstanden. Dabei haben Brasiliens Medien über diese Frage in zahlreichen Veröffentlichungen immer wieder Klarheit geschaffen. Besonders häufig zitiert wird von politisch interessierten und informierten Brasilianern dabei ein Bericht aus der größten nationalen Qualitätszeitung „Folha de Sao Paulo“, der auch vom führenden Nachrichtenmagazin „Veja“ sowie zahlreichen anderen Medien weiterverbreitet wurde. Brasilien ist, wie es dort heißt, in Lateinamerika das siebte am meisten fremdenfeindliche Land. Nur 15 Prozent der Befragten, steht ferner im Text, äußerten sich zugunsten der Ankunft von Migranten aus ärmeren Ländern. Diese und andere Studien wurden auch im Falle Paula Oliveira in den Berichten und Kommentaren brasilianischer Medien sowie in den zahlreichen Organen der brasilianischen Auslandspropaganda nicht erwähnt – lediglich Leser äußerten sich zur Fremdenfeindlichkeit in Brasilien. In Leserkommentaren zum Rio-Karneval 2009 war wiederholt von einer „wachsenden Welle der Gewalt“ gegen Touristen die Rede, wurden die Gewalttaten gegen Ausländer der Ersten Welt teilweise explizit als Zeichen von „Xenofobia“ gewertet. In Brasilien tätige Ausländer aus Staaten wie Deutschland sind nur zu oft grotesk-absurden Schikanen ausgesetzt – die Berufsausübung wird teils enorm erschwert. Häufig muß für die Lösung banaler Angelegenheiten ein für europäische Begriffe unvertretbar hoher – und teurer – Aufwand betrieben werden, der beispielsweise Freiberuflern mit geringer „Kapitaldecke“ nicht selten das Genick bricht, zum Aufgeben zwingt. Wofür Brasilianer in Deutschland oder der Schweiz teils nur wenige Minuten aufwenden, braucht man in Brasiliens teilweise Jahre. Gewöhnlich sind derartige Probleme den Berufspartnern in Europa nicht mehr zu vermitteln. ”Man kann eigentlich davon ausgehen “ wenn man irgendwie mit den Behörden zu tun hat, hat man erst mal Probleme. Die Fälle, wo etwas sofort durchgeht, sind die Ausnahme.“(Karlheinz Naumann, Unternehmensberater, Sao Paulo)
Gerade im Vorfeld von Fussball-WM 2014 und Olympischen Sommerspielen 2016 scheinen auslaenderfeindliche Verbalattacken gegen mit Auslaendern verheiratete brasilianische Frauen zuzunehmen. Wie landesweit zu beobachten ist, werden diese regelmaessig an der Seite ihres auslaendischen Mannes, der ebenfalls einen Ehering traegt, als Nutten beschimpft. Die Verbalattacken kommen sowohl von Jugendlichen als auch von alten Menschen, darunter auffaellig vielen alten Frauen. Die Beschimpfungen treffen Brasilianerinnen der verschiedensten Berufsgruppen – von der Aerztin und Operationsschwester ueber die Bankmanagerin bis hin zur Anthropologin oder Biologin. Wie es heisst, waere riskant, sich beispielsweise gegenueber einer Gruppe von jungen Maennern gegen solche Verbalattacken zu verwahren – man riskierte, Opfer brutaler Gewalt zu werden. Bereits seit Anfang der 80er Jahre sind Vorfaelle bekannt, bei denen solche Auslaenderfrauen von Brasilianern aller gesellschaftlichen Schichten als Nutten beschimpft und entsprechend behandelt wurden – ob in Rio de Janeiro, Sao Paulo oder selbst an belebten Straenden des Landes. Da es sich um politisch unkorrekte Sachverhalte handelt, gibt es darueber auch u.a. keinerlei Berichterstattung.
Fall Paula Oliveira Maciel:
„In einer Kultur wie der unseren, in der die Scheinheiligkeit mit Sicherheit die herrschende Moral ist, deklariert man nie die wahren Absichten.“ O Estado de Sao Paulo
http://www.hart-brasilientexte.de/2009/02/26/xenofobia-no-brasil-fremdenfeindlichkeit-in-brasilien/
„Estadao“ über brasilianische Mentalität: http://www.hart-brasilientexte.de/2009/03/17/was-der-fall-paula-oliveira-uber-brasilien-aussagt-leitartikel-im-o-estado-de-sao-paulo-nationalcharakter-mentalitat-soziokulturelle-faktoren-rule-of-law-pmdb-jarbas-vasconcelos-zynis/
Eurolatina-Chef Karlheinz Naumann über Probleme in Brasilien: http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/11/deutsche-firmen-und-wirtschaftskriminalitat-in-brasilien1/
Empfehlenswertes Naumann-Buch: http://www.amazon.de/Wirtschaftsboom-Zuckerhut-Strategien-langfristigen-Brasilien/dp/3636015591/ref=cm_cr_pr_product_top
Nach dem Fall Paula Oliveira bauen brasilianische Qualitätsmedien derzeit einen ähnlichen „Fall“ auf. Kurioserweise werden dabei erneut journalistische Grundsätze verletzt, wird eine ähnlich wie von Paula Oliveira ohne jegliche Beweise berichtete Version für bare Münze genommen. Diesmal heißt der Betroffene je nach Zeitung Warley Alves oder Warlei Alves Pinto. Der Mann wird als 19-jähriger Mechaniker beschrieben, der just in Dübendorf, dem Wohnort von Paula Oliveira, Ziel einer Attacke schweizerischer Neonazis gewesen sei. Die Tat habe sich bereits vor drei Jahren ereignet.
Zahlreiche Brasilianer fordern weiterhin u.a. in Leserzuschriften, daß Staatspräsident Lula offiziell seine Kritik an der Schweiz im Falle Paula Oliveira zurücknimmt. Lula hatte u.a. erklärt, seine Regierung werde die Attacke auf die Brasilianerin nicht akzeptieren, dazu nicht schweigen. Ein Präsidentensprecher hatte danach betont, Lula werde sich formell bei der Schweiz entschuldigen, falls Paula Oliveira nicht attackiert worden sei. Indessen bleibt die entsprechende Lula-Stellungnahme nach wie vor aus. Auf den Straßen, doch auch in einer Flut von Leserkommentaren in Qualitätsmedien äußern sich Brasilianer weiterhin stark verärgert über die Affäre. Die Farse der Brasilianerin in der Schweiz, ist zu lesen, diene all jenen als Warnung, die dächten, Brasilianer im Ausland seien stets über jeglichen Verdacht erhabene Bürger und arme Opfer von Intoleranz und von Vorurteilen der Regierungen autoritärer Tendenz. „Ein weiteres Mal haben wir der Welt das Gesicht unseres Landes und unseres Volkes gezeigt – als Gauner, Lügner und Gemeine, Schamlose, Hinterhältige.“
Befragte, stark politisch interessierte Brasilianer Sao Paulos gehen „hundertprozentig“ davon aus, daß die brasilianische Regierung noch am 13. Februar über das Geständnis von Paula Oliveira informiert worden ist. Angesichts der engen Verbindungen zwischen Politik und Medien stellen sich nun viele Fragen: Wieviele, welche Personen Brasiliens haben vermutlich von dem Freitag-Geständnis gewußt, dennoch aber, wie spekuliert werden kann,  auf verschiedenste Weise tagelang vorgetäuscht, davon nichts zu wissen? Warum wurde die brasilianische Öffentlichkeit über das Freitag-Geständnis nicht informiert? Alles ein Lehrstück – auch über Hintergründe „politischer Korrektheit“.
http://brasilblog.net/panorama/5033/schweizer-neonazis-foltern-schwangere-brasilianerin/print/
Laut Schweizer Justizangaben werden Paula Oliveira und ihr Freund Marco Trepp dieser Tage erneut vernommen. Ein Freund Trepps, so die brasilianische Presse, wurde bisher von Paula Oliveira als einziger in die Wohnung von Dübendorf hineingelassen – um den Computer Trepps und dessen Post  abzuholen. Trepp gehe es schlecht, er werde psychiatrisch behandelt, wurde der Freund zitiert.Die Adresse in Dübendorf  ist inzwischen Anlaufpunkt von Journalisten und Schaulustigen. Da Paula Oliveira bereits am vergangenen Freitag ihr Geständnis ablegte, wird von vielen Brasilianern vermutet, daß damit auch die brasilianische Regierung seit Freitag informiert war, ohne entsprechend zu reagieren.
Brasiliens führender Medienkonzern Globo, ist weiter zu hören, habe Millionen von TV-Zuschauern mit einer falschen, künstlich aufgeblasenen  Story zu Idioten gestempelt, Brasilien lächerlich gemacht. Der Konzern steht jetzt im Kreuzfeuer, nicht wenige brasilianische Leitartikler sind bis auf die Knochen blamiert.
Während in den brasilianischen Medienredaktionen der Schock offenbar tief sitzt, fühlen sich die meisten Brasilianer dagegen vom Geständnis Paula Oliveiras dem Vernehmen nach überhaupt nicht überrascht.  Man habe  sie bereits seit mehreren Tagen für eine gerissene Lügnerin gehalten, ist zu hören.
Brasiliens größte Qualitätszeitung „Folha de Sao Paulo“ hat als erstes Landesmedium  mit Riesenverspätung erstmals auf den „Geständnis“-Artikel der Weltwoche verwiesen, einen Link angeboten, ohne jedoch das Geständnis und die die anderen spektakulären Fakten zu erwähnen. Offenbar ist die Bestürzung in den brasilianischen Medien weiterhin enorm.
Laut UNO-Daten  kommt es  nur bei drei Prozent der in Paula Oliveiras Nordostteilstaat Pernambuco verübten Morde zu einem Gerichtsprozeß. Den Angaben zufolge gehören  auch in anderen Teilen Brasiliens viele Polizisten zu den Todesschwadronen. Wegen der enormen Zahl nie aufgeklärter Morde befindet sich eine Unzahl von Mördern auf freiem Fuß. Dies führt zu der Situation, daß ein Großteil der Brasilianer nie bestrafte Mörder persönlich kennt – nicht selten sogar Mehrfach-Mörder, die teils auch außerhalb der Grenzen aktiv sind.