Formel-1-Zirkus mit gewaltigem Polizei-und Medienaufgebot – Friedensdemonstration der Kirche gegen Attentats-und Mordwelle, am selben Tag in Sao Paulo, eine bemerkenswerte Situation. An der Friedensdemonstration nahmen zahlreiche brasilianische Systemkritiker, Regierungskritiker und Bürgerrechtler teil – entsprechend gering war das in-und ausländische Medieninteresse, wie bei anderen systemkritischen Protesten dieser Art. Zwar hielten sich zahlreiche Sportreporter und andere Korrespondenten, dazu zahlreiche europäische TV-Teams in Sao Paulo auf – die gravierende Menschenrechtslage wurde indessen nicht erwähnt, auch nicht die Friedensdemonstration.
Menschenrechtspriester Edson Jorge Feltrin, Gemeindepadre der „Paroquia Sao Francisco de Assis“, erläuterte im Website-Interview vor dem Beginn der Friedensdemonstration die gravierende Lage in Brasilandia: „Das organisierte Verbrechen ist hier die stärkste Macht – die Slumbevölkerung ist ihm ausgeliefert. Ich wurde hier schon zweimal zusammengeschlagen. Das organisierte Verbrechen konzentriert sich stark auf die Jugendlichen – sie werden heute durch die Kräfte des Todes geführt, nicht durch die des Lebens. Ich beerdige hier größtenteils junge Menschen – ermordet. Viele Morde, die hier geschehen, werden garnicht registriert, bekanntgegeben, gezählt. Dann die verdeckte Gewalt – die vielen geschlagenen Frauen. Ein drogensüchtiger junger Mann ermordete unlängst hier barbarisch seine Mutter, seinen Vater, die eigene Frau.“
Feltrin malt Gläubigen vor der Demo das Wort “Paz” auf die Stirn.
Mehrere tausend Christen ziehen tagsüber durch eine der gefährlichsten Regionen Sao Paulos und wissen um das Lebensrisiko. Denn wie das organisierte Verbrechen, dessen Banditenkommandos hier herrschen, auf den kirchlichen Protest reagiert, kann niemand voraussagen. Entlang der Route wurden in letzter Zeit zahlreiche Morde verübt, steckten Gangster einen Nahverkehrsbus in Brand und ließen ihn eine steile Straße hinabrollen – vier Slumbewohner wurden zu Tode gequetscht.
“Für ein friedliches Zusammenleben – keine Gewalt“, hallen immer wieder Sprechchöre. Auffällig, wie wenige Bewohner auf der Straße sind – hinter stabilen Stahlgittern schauen manche eher mißtrauisch auf den Demonstrationszug. Nachts verhängen hier die Banditenkommandos oft Ausgangssperren, Polizei läßt sich nur selten blicken. 2012 wurden allein in Sao Paulo bereits rund 100 Beamte meist hinterrücks bei Anschlägen erschossen. Laut Statistik wird in Brasilien durchschnittlich alle neun Minuten und 48 Sekunden ein Mensch getötet, bei beträchtlicher Dunkelziffer – weit über 50000 Morde sind es im Jahr.
Lulas Wohnort Sao Bernardo do Campo liegt 28 Kilometer von Sao Paulo entfernt.
Blutbad nach Demonstration: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/12/01/brasilien-ausgangssperren-und-demokratie-banditen-veruben-in-brasilandiasao-paulo-ein-blutbad-an-besuchern-einer-strasenbar-die-sich-nicht-an-die-ausgangssperre-die-schliesungsvorschrift-hielt-m/
„Zwischen 2004 und 2007 wurden in Brasilien mehr Menschen gewaltsam getötet als in den 12 wichtigsten kriegerischen Konflikten der Erde dieser Jahre…Der Schauplatz der Gewalt, die harte Realität der Slumperipherien, veränderte sich wenig.“ Miguel Reale Junior, Rechtsexperte, Ex-Justizminister, in Qualitätszeitung O Estado de Sao Paulo 2013
Deutscher katholischer Priester Konrad Körner aus Ampferbach/Bayern: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/11/28/brasilien-der-deutsche-katholische-priester-konrad-korner-aus-ampferbach-friedenskundgebung-in-brasilandiasao-paulo-2012/
„Sebastian Vettel – zum dritttenmal Formel-1-Weltmeister“. Fahrverhalten in Brasilien: http://www.hart-brasilientexte.de/2010/01/06/in-brasilien-taglich-etwa-100-verkehrstote-weltweit-groste-opferzahl-uma-guerra-nas-estradas-brasileiras/
Slumbewohnerin, kirchliche Menschenrechtsaktivistin Ana Cristina de Souza: „Wegen des Formel-1-Rennens wurde in Sao Paulo eine Riesen-Fassade aufgebaut, um sich positiv darzustellen. Doch hier in den Slums werden wir von den Regierenden im Stich gelassen. Wir baten die Verkehrspolizei Sao Paulos, die Friedensdemonstration zu begleiten, doch es hieß, das geht nicht, wir sind alle beim Formel-1-Rennen eingesetzt.“
Brasilien ist das Land mit der weltweit größten Zahl an Morden – weit über 50000 jährlich. Laut einer neuen Studie wird alle 9 Minuten und 48 Sekunden ein Menschen ermordet – bei beträchtlicher Dunkelziffer. Die Angst vor Gewalt führt besonders in den Slumregionen zu einer informellen, oder direkt von den Banditenkommandos verhängten Ausgangssperre(toque de recolher) – gewöhnlich nach dem Dunkelwerden verläßt niemand mehr Haus oder Kate. In Brasilien nimmt die Gewalt gegen Frauen seit Jahren deutlich zu, belegen aktuelle Untersuchungen. Hier werden viele Kinder vergewaltigt – und das steht nicht in den Zeitungen. Größter Wirtschaftsfaktor ist hier der Rauschgifthandel, der bewegt das meiste Geld.“
Brasilianische Gewaltexperten betonten in den letzten Jahren stets, Sao Paulo sei keineswegs friedlicher als Rio de Janeiro, jedoch werde von den Autoritäten erfolgreich per Politmarketing der Eindruck erweckt, die Megacity sei sicherer. Die Stadt gehörte de facto stets zu den gefährlichsten Gegenden des Landes, nur in Kernbereichen der Mittel-und Oberschicht bestand wegen eines gewaltigen Polizeiaufgebots mehr Sicherheit. Offizielle “Erfolgs”-Statistiken wurden auch von Menschenrechtsexperten stets widerlegt, in Mitteleuropa vom Mainstream indessen oft gemäß den Vorschriften ohne Prüfung übernommen. In jüngster Zeit ist lukrative Schönfärberei indessen kaum noch möglich.
Am Tag der Demonstration wurde bei Sao Paulo ein Schweizer Tourist ermordet, am Tage nach seiner Ankunft im Land: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/11/26/brasilien-gewaltwelle-und-betroffene-auslander-schweizer-tourist-max-kempf69-bei-sao-paulo-wahrend-raububerfall-erschossen/
In europäische Medien wird auf die heute gängige Art durchgeschaltet, im Vorfeld von Fußball-WM und Olympia unternähmen die brasilianischen Autoritäten angeblich große Anstrengungen zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit.
„Welle der Gewalt tötet mehr als in Gaza“: http://www.hart-brasilientexte.de/2012/11/21/brasilien-welle-der-gewalt-in-sao-paulo-totet-mehr-als-in-gaza-minister-gilberto-carvalho-laut-landesmedien/
In der deutschen Parteipropaganda wird die brasilianische Regierung als progressiv eingestuft.
Menschenrechtssamba zur Gewaltsituation – anklicken: http://www.youtube.com/watch?v=XkvjkxERac4
Wem nützt die Banditendiktatur? http://www.hart-brasilientexte.de/2008/02/15/wem-nutzen-banditendiktatur-und-immer-mehr-no-go-areas/
Paroquia Sao Francisco de Assis, Paroquia Bom Pastor.
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