“Wer nicht täuschen kann, soll nicht Politiker werden.” Konrad Adenauer, zitiert nach Weimarer Taschenbuchverlag.
Leserbriefe als Zeitdokumente:
http://www.hart-brasilientexte.de/2014/03/10/ukraine-2014-deutsche-lachen-weiter-ihre-medien-wegen-der-unprofessionell-infantilen-ukraine-berichterstattung-auskindergarten/
“Die Medien lassen in ihrer Berichterstattung durchweg die tatsächlichen Hintergründe von Konflikten unbeachtet.” SPD-Politiker Andreas von Bülow
“Die Waffenverkäufer wollen Regierungen, die Kriege führen.” Jüdischer Weltsozialforum-Erfinder Oded Grajew in Sao Paulo.
DER SPIEGEL 2004:
Irak
Lügen in Zeiten des Krieges
Vor knapp einem Jahr griffen die USA den Irak an, deklariert als Feldzug gegen den Terror, gestützt auf „Fakten und Beweise“. Bereits ein paar Monate nach dem Krieg zeigte sich ein anderes Bild: Eine Melange aus Halbwahrheiten, Märchen und Lügen bereitete den Weg nach Bagdad. SPIEGEL ONLINE dokumentiert mehrere Fälle schwarzer Propaganda, die den Krieg rechtfertigen sollten.
Von Lars Langenau
Donnerstag, 05.02.2004 16:49 Uhr
Klicken Sie auf die Bilder, lesen Sie, wie leichtfertig die Politiker die Welt in die Irre führten:
CIA-Chef George Tenet hat heute zugegeben, dass die US-Geheimdienste vor dem Irak-Krieg nur zum Teil genaue Kenntnisse über die Existenz von Massenvernichtungswaffen hatten. Auch wenn er sagt, die Suche sei keineswegs vorbei und behauptet, es gebe eindeutige Belege für biologische und chemische Waffen, sowie Pläne für Atomwaffen – vorgelegt wurden sie abermals nicht.
Vor einem Jahr wurden die Behauptung, der Irak verfüge über dieses Waffen, noch mit ganz anderer Inbrunst vertreten:
Es war der große Auftritt des amerikanischen Außenministers, bis dahin eher ein Feind der Bomben, ein Freund der Diplomaten. Mit großen Gesten und einer ausgefeilten Multimediaschau wollte Colin Powell bei der entscheidenden Sitzung vor dem Uno-Sicherheitsrat am 5. Februar 2003 die Welt mit „wasserdichten“ Beweisen von der Gefährlichkeit irakischer Massenvernichtungswaffen überzeugen. Doch was die Zuschauer weltweit an ihren Fernsehern verfolgten, hinterließ eher Skepsis. Zu Recht, wie immer deutlicher wird.
Tatsächlich griffen die USA den Irak nicht an, weil sie „dramatisch neue Erkenntnisse über das irakische Trachten nach Massenvernichtungswaffen besaßen“, wie US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld mittlerweile freimütig erzählt. Sondern, „weil wir die Beweise in einem völlig neuen Licht sahen – durch das Prisma unserer Erfahrungen am 11. September“.
Nach der traumatischen Erfahrung der Terroranschläge wollte und konnte Amerika nicht als kampfscheuer Riese dastehen. Ohne den 11. September 2001 ist der 20. März 2003, dem ersten Tag des Angriffs auf den Irak, kaum denkbar. Möglicherweise reichen die Pläne für den Angriff aber auch noch weiter zurück.
„Shock and Awe“ lautete die Formel des Pentagon für den massiven Bombenangriff auf Bagdad in der Nacht vom Freitag, dem 21. März
AP/ABU-DHABI TV
„Shock and Awe“ lautete die Formel des Pentagon für den massiven Bombenangriff auf Bagdad in der Nacht vom Freitag, dem 21. März
Zur Mobilisierung war eine Dämonisierung des Gegners notwendig. Präsident George W. Bushs Berater erfanden die „Achse des Bösen“, die neben dem Irak auch Iran und Nordkorea umfasst. Und dann wurde getrickst, zurechtgestutzt, getäuscht, nachgebessert, betrogen, manipuliert. Das Bedrohungsszenario in einer zwölf Jahre alten Doktorarbeit wurde als Geheimdiensterkenntnis ausgegeben, Giftlabors in Bunkern und unterirdische Chemiefabriken entsprangen ganz offensichtlich der Fantasie mancher Strategen im Weißen Haus.
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Angriff auf den Irak: Chronik eines angekündigten Krieges (18.09.2003)
„In Kriegszeiten ist die Wahrheit so kostbar, dass sie stets von einer Leibwache aus Lügen beschützt werden sollte“, sagte einst Winston Churchill. Ein Satz, den sich die amerikanischen Falken im Weißen Haus zu Eigen machten – eine Regierung, die nach dem Abschied von Bill Clinton Ehrlichkeit und Anstand versprach. Zitat SPIEGEL
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DER SPIEGEL:
13. Januar 2003: Papst Johannes Paul II. spricht sich in seiner bisher schärfsten Stellungnahme zum Irak-Konflikt gegen einen Krieg aus. Blair fordert Saddam erneut zur Aufgabe seiner Massenvernichtungswaffen auf und sagt: „Wenn er es nicht freiwillig tut, wird er mit Gewalt entwaffnet werden“.
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24. Januar 2003: 2600 Bundeswehrsoldaten übernehmen Wachdienste und andere Schutzmaßnahmen für die 95 Liegenschaften der US-Armee in Deutschland.
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30. Januar 2003: Die Staats- und Regierungschefs von acht europäischen Ländern – Dänemark, Großbritannien, Italien, Polen, Portugal, Spanien, Tschechien und Ungarn – rufen zur Unterstützung der USA auf und stellen sich damit demonstrativ gegen Deutschland und Frankreich.
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5. Februar 2003: Powell legt dem Uno-Sicherheitsrat Tonbänder, Satellitenaufnahmen und Berichte vor, die beweisen sollen, dass Irak Massenvernichtungswaffen besitzt. Zudem unterstütze das Regime al-Qaida.
6. Februar 2003: Auch nach der Präsentation der angeblichen Beweise bleibt die Bundesregierung bei ihrem Nein zum Krieg. Rumsfeld stellt Deutschland deswegen auf eine Stufe mit Libyen und Kuba. Bush befürwortet im Weißen Haus eine zweite Uno-Resolution. Deutschland, Russland und Frankreich lehnen das ab. Das türkische Parlament stimmt dem Ausbau von Militärstützpunkten und Häfen für einen Irak-Krieg zu und billigt die Einreise von US-Militärexperten.
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24. Februar 2003: Frankreich, Russland und Deutschland legen dem Sicherheitsrat ein Memorandum vor, dem sich auch China anschließt. Das Memorandum stellt fest, dass die Bedingungen für den Einsatz von Gewalt gegen den Irak nicht erfüllt seien.
Zur Begründung heißt es, bislang gebe es keine Beweise dafür, dass Irak noch immer Massenvernichtungswaffen besitze. Die Zusammenarbeit der Inspekteure mit Irak habe sich verbessert. Um eine friedliche Lösung zu ermöglichen, sollten die Inspekteure die notwendige Zeit und die notwendigen Ressourcen bekommen. Die Inspektionen könnten jedoch nicht unbegrenzt fortgesetzt werden.
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20. März 2003: Das 48-stündige Ultimatum Bushs läuft ab. Eineinhalb Stunden später greifen die USA ein Ziel bei Bagdad an.
An dem Angriff gegen einen kleineren Gebäudekomplex bei Bagdad waren gegen 3.34 Uhr MEZ zwei Tarnkappenbomber des Typs F-117 beteiligt, die vier 900-Kilogramm-Bomben („Joint Direct Attack Munition“) abwarfen, welche über Satellitensignale gesteuert werden.
Außerdem wurden nach Informationen aus dem Pentagon mehr als 30 Marschflugkörper des Typs „Tomahawk“ von Kriegsschiffen im Persischen Golf und im Roten Meer abgeschossen. Ein Regierungsbeamter sagte, der Angriff habe sich gegen Saddam gerichtet.
Bush erklärt in einer Fernsehansprache, die militärische Operation zur „Entwaffnung Iraks und zur Befreiung seines Volkes“ habe begonnen. Er fügt hinzu: „Dies wird kein Feldzug halber Maßnahmen, und wir werden keinen anderen Ausgang akzeptieren als den Sieg.“ Der Krieg könnte „länger dauern und schwieriger werden, als einige voraussagen“.
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Hintergrund 2003:
Berichte aus Brasilien
Musik-Supermacht Brasilien(8)
Populäre Künstler gegen die Irak-Invasion: Chico Cesar und Kulturminister Gilberto Gil
von Klaus Hart |
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Klarblauer Tropenhimmel über Lateinamerikas Wirtschaftslokomotive Sao Paulo – im Ibirapuera-Park ein Meer von Fahnen, Anti-Bush-Transparenten, Aufrufen zum Boykott nordamerikanischer Waren. Auf der Konzertbühne, vor zehntausenden Kriegsgegnern, der dunkelhäutige Chico Cesar, 39, einer der politisch engagiertesten Künstler Brasiliens, mit einem seiner sozialkritischsten Songs – „Mama Africa“ – auch in Deutschlands Weltmusik-Szene ein Hit. Cesar verflucht die Aggression der USA, Großbritanniens, Australiens gegen den Irak, analysiert die Hintergründe des Konflikts auch in der Öffentlichkeit schärfer als jeder andere brasilianische Musiker. „Wenn ich diese Bilder vom Irak sehe“, sagt er im Trend-Interview, „habe ich auch die anderer imperialistischer Kriege im Kopf – vom zweiten Weltkrieg, von Vietnam, von Hiroshima und Nagasaki. Wir sind in einem historischen Moment – immer mehr Macht in den Händen von immer weniger Personen; die imperialistische, kapitalistische Beherrschung der Menschheit nimmt zu.“ Bemerkenswert – solches hört man von Weltmusik-Künstlern wie ihm, die in ARD-Radios häufig gespielt werden, nicht gerade alle Tage. „Diese Gruppe um Bush will den Irak, Iran, Syrien wirtschaftlich, politisch dominieren – die wollen weiter bis nach Nordkorea, wollen die ganze Welt beherrschen, alle Energiequellen. Und auch Saddam Hussein ist deren Werk – den haben die Nordamerikaner, Briten hochgebracht – wie Bin Laden. Nur solange ein Tyrann ihren Interessen dient, ist er ihr Partner – andernfalls wird er ersetzt.“Schon im Vorfeld des Kriegs trägt Chico Cesar Fahnen, Transparente auf den Demos – in seinen Konzerten ruft er dazu auf, keine Waren der USA, Großbritanniens, Australiens mehr zu kaufen. „Denn jene, die am Krieg verdienen, sind doch nur für Finanzielles sensibel. Wenn die auf einmal Verluste machen – wegen des Boykotts von Coca Cola, McDonalds oder Autos, Kleidung und CDs aus den USA – wird die öffentliche Meinung der Vereinigten Staaten rasch reagieren. Nicht alle Amerikaner sind für den Krieg – wir müssen jetzt den protestierenden Künstlern dort, auch den Pazifisten, die Bush nicht länger an der Macht wollen, die Hand reichen. Ein Land, das sich zum Weltgendarm erklärt, muß gestoppt werden.“Chico Cesar – jedes Jahr auf Deutschlandtournee, auch in Brasilien von der 30-jährigen Dresdnerin Constanze Eiselt gemanagt – vergißt über dem Irakkonflikt nicht Brasiliens „Guerra urbana“. „Hier ist ein Teil der Jugend in einen Krieg verwickelt, macht mangels anderer Alternativen bei den Drogenkartellen des organisierten Verbrechens mit, die die brasilianische Gesellschaft regelrecht terrorisieren.“Chico Cesar, im Nordost-Teilstaat Paraiba geboren, dort auch von deutschen Ordensschwestern miterzogen, lebt in Sao Paulo – schwer zu sagen, wer dort bekannter, populärer ist – er oder sein Bruder – ein direkt legendärer Führer von Basisbewegungen, darunter der Hausbesetzer, Obdachlosen.
Grüner Kulturminister Gilberto Gil: Im Irak-Krieg wurden Massaker angerichtet
Hinter der Konzertbühne eine nicht alltägliche Szene – ein Kulturminister stimmt seine Gitarre, singt ebenfalls vor den Kriegsgegnern Sao Paulos. Gilberto Gil, inzwischen über sechzig, ist fast jedes Jahr in Berlin, Hamburg, Frankfurt, München – die Haltung der Deutschen zum Irak-Konflikt freut ihn natürlich. Nennen Deutschlands Grünen-Minister wie Fischer oder Trittin ein Massaker, was die USA und Großbritannien im Irak anrichteten? Gilberto Gil gehört zum Partido Verde(PV), der Grünen Partei Brasiliens, wählt bewußt den Begriff „Massacre“:“Niemand hier in Brasilien ist für diesen Krieg – die große Mehrheit stellt sich klar dagegen. Das sage ich als Minister, aber auch als Musiker“, so Gil zum Trend. „Sogar jene Brasilianer, die anfangs ziemlich gleichgültig waren, sahen es bald anders – nachdem die Nachrichten von den Massakern, den toten irakischen Zivilisten, auch den toten Soldaten beider Seiten eintrafen. Das bringt die Leute hier sehr, sehr auf.“ |
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Wer einmal lügt …